Regen, Regen, Regen... und dazu Kälte, Kälte, Kälte...
Wir hatten es so satt. Deswegen beschlossen wir, das schlechte Wetter zu nutzen und in Italiens größte Therme zu fahren, den Thermalpark Aquardens im Süden des Gardasee's.
Einer Empfehlung von unserem Freund Adrien folgend, gingen wir erst am frühen Abend in das Schwimmbad, um das Ambiente sowohl bei Tageslicht, als auch später beleuchtet genießen zu können. Nachdem wir uns umgezogen und uns kurz abgeduscht hatten, betraten wir die Halle. Die Therme war der Wahnsinn. Es gab acht große Becken mit 28-38 Grad warmen Wasser, zwei davon waren Außenbecken. Einige lagen ganz versteckt in kleinen Höhlen, die wir nur durch Zufall entdeckt hatten, andere waren riesig groß. Absolutes Highlight war eine Bar in einem Pool, so konnte man Cocktails schlürfen, ohne das warme Nass verlassen zu müssen, auch wenn der Eine oder Andere danach keine geraden Bahnen mehr schwimmen konnte. Zusätzlich gab es ein großes Kaltwasserbecken im Außenbereich, das seltsamerweise aber kaum jemand nutzte. Sogar einen großen Kneipp-Bereich entdeckten wir. Dort gab es einen kleinen Trinkbrunnen, an dem man seinen Becher mit dem heißen Thermalwasser befüllen konnte.
Zwar zahlten wir satte 27€ Abendeintritt pro Person, doch schon von unserem ersten Eindruck wussten wir, dass sich das Geld gelohnt hatte. Wir schwammen in Badewannen-warmen Wasser, entspannten uns im heißen Whirlpool-Geblubber, genossen einen Cocktail an der Bar und waren beeindruckt, als am Abend überall die Beleuchtung anging. Nicht nur die Lampen im Inneren des Gebäudes waren sanft fürs Gemüt, sondern auch die Lichter in den einzelnen Schwimmbecken, Entspannungsbereichen, Grotten und vor allem aber in der Außenanlage. Es war atemberaubend schön und als wir schließlich um elf Uhr abends die heiligen Hallen von Blubber-Ville verließen, waren wir bis in die tiefsten Ebenen unserer Körper entspannt. Was für ein Erlebnis!
„Wenn wir mal wieder eine Wohnung haben, dann will ich auch eine Bar direkt an der Badewanne, das ist dann eine sogenannte Bar-dewanne.“ meinte Tani begeistert
„Und wie wäre es dann mit einer Toilette mit Fernseher, auf der du deine Lieblings-Sandmann-Sendung sehen kannst... Plumps? Dann hätte wir ein Plumps-Klo...“ meinte Sarah grinsend.
„Da wäre mir ein Klo mit Casino lieber... man bräuchte viel Glück.. eine sogenannte Toi Toi-Toilette!“
Wir lachten beide herzlich und gingen erschöpft ins Bett.
Nach diesem Tag, verbrachten wir die Darauffolgenden mit viel Fahrerei. Zwar blieben wir immer in Nähe des Gardasee's, doch die kostenlosen Stellplätze waren selten und nicht so schön. So fuhren wir abends immer ein Stückchen weg von den Ufern und suchten uns Übernachtungsplätze, die ein wenig abgelegener lagen.
Tagsüber befuhren wir die engen Straßen direkt am See, schlenderten durch die kleine Stadt Malcesine und genossen das Panorama vom Gardasee.
Leider spielte das Wetter immer noch nicht so richtig mit und wir waren schon froh, wenn es mal nicht regnete. Die Sonne ließ ihre warmen Strahlen nur sehr sparsam auf uns herab sinken.
Nach einigen Tagen wollten wir die „Madonna della Corona“ besichtigen, eine Kapelle, die in einen Berg hinein gebaut wurde. Am Morgen war Tani ein wenig genervt von Sarah, da er endlich los wollte, sie aber einfach nicht aus dem Knick kam.
„Wenn du am Morgen nicht so viel „Beauty Time“ benötigen würdest, hätten wir effektiv mehr Zeit zum Reisen gehabt“ meinte er sarkastisch.
„Aber es reicht ja, wenn einer von uns wie ein Rübezahl aussieht“ erwiderte sie keck.
Als wir dann (endlich) unseren Nachtplatz verlassen konnten und einen Parkplatz nahe der Kirche fanden, war es schon später Mittag. Dem kleinen ausgewiesenen Wanderpfad folgend, gelangten wir zur Kapelle und hörten schon von Weitem, dass die gerade abgehaltene Messe per Lautsprecher in das ganze Tal geschallt wurde. Die Kirche bot ein fantastisches Bild in der rauen Berglandschaft. Über einen etwas abgeschiedeneren Weg erhaschten wir einen schönen Blick auf das beeindruckende Bauwerk, ganz ohne Touris.
Auf dem Rückweg, der sehr steil zurück zu unserem Auto führte, schnaufte Sarah schwer und meinte, dass sie etwas langsamer laufen müsste.
„Puh“ meinte sie, „mir geht gerade ganz schön die Luft aus!“
„Dir geht mal die Luft aus? Du kannst doch selbst auf den steilsten und abenteuerlichsten Kletterpfaden, auf einem Bein springend immer noch schnattern“, meinte Tani grinsend und stapfte voraus.
Wir erreichten unseren Björni und fuhren einen kleineren Parkplatz an, der nicht von Touristenbussen und Menschenmassen belagert wurde und wollten Mittag essen. Als wir gerade vor uns hin mumpelten, kam ein silberfarbener VW T4 angebraust, fuhr sehr knapp an uns vorbei und hielt direkt vor uns. Tani, neugierig wie immer, reckte seinen Hals, um zu sehen, woher der Bus kam.
„Hey das sind ja auch Deutsche... Wow... auch Dresdner... HAHAHA vielleicht kennen wir sie ja sogar.“
Im Rausch seiner Spionageattacke bemerkte er nicht, dass Sarah sehr ruhig geworden war und ihm einen sonderbaren Blick zuwarf.
Die Tür des Busses öffnete sich und ein Lockenkopf stieg aus. Tani verschlug es sofort den Atem und er blickte zu Sarah...
„DAS IST JA... ANNA“... rief er laut aus.
Tani´s Schwester Anna und ihr Freund Martin hatten sich einige Zeit nachdem wir Deutschland verlassen hatten, einen Bus gekauft und ihn umgebaut. Wir wussten es zwar, hatten das Auto aber noch nie live gesehen. Der Plan uns zu besuchen, entstand schon zwei Wochen zuvor und Tani hatte absolut nichts geahnt. Sarah´s Aufgabe an diesem Tag war es, ihn ein bisschen hinzuhalten und ihn geschickt zu dem ausgemachten Treffpunkt zu lotsen, ohne das er etwas bemerkt.
Auch wenn er von Sarah's Trödelei am Morgen etwas genervt war, ging der Plan perfekt auf und während Anna und Martin grinsend auf uns zukamen, glotze Tani nur verwirrt und konnte nicht begreifen, dass die beiden wirklich da waren.
Wir fuhren etwa 15 Minuten zu einem kostenlosen Stellplatz und Tani benötigte die gesamte Fahrt, um diese riesige Überraschung wirklich zu begreifen.
„Häääää??? … aber... verrückt... aber wie??... und … wie lange??“ brabbelte er verwirrt vor sich hin.
Die beiden hatten sich eine ganze Woche frei genommen und wollten über Ostern gemeinsam mit uns den Norden Italiens unsicher machen.
Zusammen erkundeten wir den Gardasee, besuchten Sirmione und Lemone, gingen Pizza essen und genossen das abendliche Beisammensitzen und Quatschen. Nachdem wir uns satt gesehen hatten, an dem wunderschönen Panorama des Sees, führte uns unsere Tour weiter in den Westen, zum Comoer See, der uns mit seinem herrlichen Bergambiente ebenso beeindruckte.
Die Tage vergingen rasend schnell. Wir verließen Como und fuhren wieder in Richtung Osten. Nachdem wir eine sehr ungemütlich kalte Nacht in der Nähe der Dolomiten verbrachten, wollten wir uns für unsere letzten gemeinsamen zwei Tage eine etwas wärmere Stelle suchen. Etwa zwei Stunden Fahrt genossen wir durch die wahnsinnig schöne Landschaft Norditaliens, bestaunten hohe Schneegipfel und tiefblaue Seen.
Letztendlich fanden wir einen kleinen, sonnigen Wohnmobil-Stellplatz, der unser Zuhause für die nächsten zwei Tage werden sollte.
Wir hatten nicht nur Glück mit der schönen, im Grünen gelegenen Stelle, von der aus wir einen unglaublichen Blick auf das umliegende Gebiet hatten, sondern das Wetter spielte mit und wir genossen das Osterwochenende bei sommerlichen Temperaturen.
Es war so schön mit den beiden in der Wärme zu faulenzen, das Leben zu genießen und den neusten Klatsch und Tratsch auszutauschen. An diesem Tag erhielten wir eine Nachricht von unseren Freunden Eileen und Louis, die wir in Wales kennengelernt hatten. Sie hatten sich mit einigen Anderen das Wochenende frei genommen und waren zum „Lago Maggiore“ gefahren, um dort ein paar Tage zu verbringen. Damit stand unser weiterer Plan fest.
Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns sehr herzlich von Anna und Martin mit der Gewissheit, sie in gerade einmal drei Wochen, Zuhause wiederzusehen. Das war ein tolles Gefühl. Die beiden hatten eine lange Strecke vor sich, bis sie in Dresden ankommen würden und auch wir mussten eine Tour von 6 Stunden hinter uns bringen, um unsere Freunde zu sehen. Wir fuhren und fuhren durch das teilweise sehr chaotische Verkehrswirrwarr von Italien und erreichten am Nachmittag den zweitgrößten See des Landes.
Unsere Freunde hatten sich einen kleinen Campingplatz ausgesucht, der direkt am Ufer lag. Mit uns beiden waren wir 30 Personen und damit war der kleine Platz voll. Björni wurde geparkt und wir sagten „Hallo“. Begrüßt wurden wir mit einem frisch gezapften eiskalten Bier, welches uns sofort in die Hand gedrückt wurde. Eileen und Louis voran, begrüßte uns die gesamte Truppe sehr herzlich und wir fühlten uns auf Anhieb wohl in der lustigen Gemeinschaft. Da viele mit ihren selbst ausgebauten Campern da waren, hatten wir fast das Gefühl auf einem „Vanlife“-Treffen zu sein und es war unglaublich interessant, die Raffinessen von anderen Ausbauten zu sehen.
Als wir dann unser zweites frisch gezapftes eiskaltes Bier in der Hand hielten, setzten wir uns zusammen und tauschten mit Eileen und Louis neue und alte Geschichten aus. In der Nähe war eine kleine Kirche auf einem Berg, zu dieser stiegen wir hinauf und genossen einen Ausblick, über den mittlerweile im Dunklen liegenden See, an dessen Ufern viele kleine Städte glitzerten. Der Blick gab das perfekte Ambiente für unser Wiedersehen mit unseren Freunden.
Wir redeten viel über unsere gemeinsamen Abenteuer in Wales und England und es war schön zu sehen, dass wir uns nach all den Monaten noch genau so verstanden, wie zum Zeitpunkt des Abschieds in Dover. Es tat so gut, die beiden wiederzusehen und uns gegenseitig auf den neusten Stand zu bringen. Tagsüber lernten wir die Gruppe besser kennen und am nächsten Abend wurde ein Feuer direkt am kleinen Steinstrand angezündet und die Gespräche gingen uns nicht aus.
Am folgenden Tag checkten wir aus und verließen das Camp. Der Abschied von den beiden fiel uns diesmal leichter, denn die Gewissheit bestand, dass wir sie schon bald noch einmal sehen würden. Bevor wir zurück nach Dresden fahren, besuchen wir sie erneut, wie es schon seit unserem Abschied in England fest stand.
Unser Weg führte uns zu dem letzten Ziel auf unserer Reise, dem Pragser Wildsee. Viele Bilder, die wir teilweise schon Jahre vorher gesehen hatten, reizten uns sehr und wir waren neugierig auf den kleinen Bergsee. Wir beschlossen die weite Strecke von 6-7 Stunden an einem Tag durchzufahren, um am Abend schon auf dem Stellplatz bei unserem Ziel anzukommen. Das verhältnismäßig gute Wetter des nächsten Tages wollten wir nutzen, bevor es anschließend wieder tagelang regnen und sogar schneien sollte. Erst am frühen Abend erreichten wir unser Ziel. Bevor wir anfingen unser Lager aufzuschlagen und im Bus alles zurecht zu räumen, gingen wir gleich eine kleine Runde Spazieren. Drei Minuten Gehweg und dann standen wir an den Ufern unseres letzten Zieles. Welch' Ironie, der See war zugefroren.
Irgendwie passte das sehr gut ins Bild unseres letzten halben Jahres, Kälte und Eis. Dennoch gab der Wildsee ein wunderschönes Bild zwischen den hohen, teilweise schneebedeckten Felswänden, die sich ringsumher erhoben. Den Rundweg entlang des Ufers, nutzten wir für einen Spaziergang und ein sehr eigenartiges Gefühl nahm von uns Besitz. Unser letztes Ziel auf unserer Reise. Das LETZTE Ziel.
Dieser See war quasi das Sinnbild für das Ende des spannendsten Jahres unseres bisherigen Lebens. Viele Bilder und Geschichten kamen in uns hoch. Während wir liefen, wechselten sich bedächtiges Schweigen und das gemeinsame Erinnern an Erlebnisse ab. Wir sprachen über die Zeit, bevor wir losgefahren waren, den Stress des Umbaus und des Umzugs.
Wir redeten über unsere Gefühle, als wir Deutschland verließen und die erste Nacht in unserem Björni schliefen. Viele Momente waren noch so lebhaft in uns, dass es uns nicht schwer fiel noch einmal die Begeisterung zu erleben, als wir die Trolltunga in Norwegen erreicht hatten, das Herzklopfen als wir in Paris auf der Notre-Dame standen, die völlige Verzauberung, als wir von Gibraltar auf die Küste Afrikas sahen.
Wir erinnerten uns an kleine versteckte, aber wunderschön gelegene Stellplätze, an denen wir standen; an all die Menschen, die uns auf unserer Reise begegneten und die unseren Weg so sehr bereichert haben; lachten über kleinere Pannen und größere Zufälle. Als wir spät am Abend ins Bett gingen schwirrten unsere Köpfe von den vielen Bildern, an die wir uns erinnerten, dennoch war es schön, noch einmal all unsere Videos anzuschauen.
Am nächsten Morgen standen wir früh auf und genossen noch ein letztes Mal für eine lange lange Zeit, einen heißen Kaffee am Ufer eines See's. Wir verabschiedeten uns in unserem Inneren von Italien und unserer Reise, da wir beschlossen hatten, noch an diesem Tag nach Deutschland durchzufahren, um der kalten und verschneiten Wetterfront zu entgehen, die im Anmarsch war.
Auch bei diesem Kaffee durchzuckten uns sehr viele, teilweise widersprüchliche Gefühle. Nach einem Jahr würden wir heute zurück nach Deutschland kommen. Das war sehr merkwürdig. Wir konnten kaum beschreiben, was dabei in uns vorging. Es fällt uns sehr schwer, dies in Worte zu fassen. Wie schnell doch dieses Jahr in unserem Bus vergangen war. Es fühlte sich an, als wären wir erst vorgestern losgefahren und doch hatte man das Gefühl, dieses Jahr so intensiv genutzt zu haben, wie kein anderes Jahr zuvor.
Wir steigen ins Auto und fuhren noch nicht einmal eine Minute, da fragte Tani:
„Na Björni... Lust auf Deutschland?“
PIIIIEEEEEEEPPPPPP... Ölstand niedrig...
Das erste Mal auf unserer gesamten Reise meldete unser Björni ein Problem und eine Signallampe leuchtete auf.
Die erste Reaktion war, dass wir beide lauthals anfingen zu lachen. Regelmäßig kontrollierten wir den Ölstand und füllten auch immer etwas nach. Doch an diesem Morgen (wahrscheinlich auch kältebedingt) wollte uns unser Björni mitteilen, dass er noch nicht bereit war zurückzukehren. Nachdem wir an sieben Tankstellen kein Öl nachkaufen konnten, bekamen wir es endlich an der 8. und wollten es nachfüllen, doch der Ölstand war wieder in Ordnung und somit konnten wir problemlos weiterfahren.
Als wir nach einigen Stunden ein Schild passierten, auf dem „Bundesrepublik Deutschland“ stand, wurde es ganz ruhig im Bus. Wir waren wieder zurück... zurück in Deutschland.
Einige Tage verbrachten wir im Süden des Landes, besuchten Freunde am Bodensee und langsam kam der Gedanke an, dass sich die Reise ganz allmählich dem Ende näherte. Es fiel uns schwer, sich daran zu gewöhnen, ein Gespräch nicht mit „Do you speak English?“ zu beginnen; außerdem war es merkwürdig, die Unterhaltungen aller anderen Menschen zu verstehen (Wenn sie nicht gerade Schwäbisch sprachen :p) und alle Schilder und Hinweise lesen zu können. Der Plan war, noch zwei Wochen durch Deutschland zu touren und Freunde zu besuchen, bevor wir dann wieder fest zu Hause, in unserer Heimat ankommen würden. Nachdem wir wunderschöne Tage bei unseren Freunden Liesi und Felix verbrachten, verließen wir die Bodensee-Gegend und machten uns auf in Richtung Siegen, zu unseren Freunden Louis und Eileen.
Zwei Stunden waren wir in unserem Björni unterwegs, da bemerkte Tani beim Fahren, dass der Blinker nicht mehr funktionierte. An einer Parkbucht hielten wir an und während Sarah den ADAC anrief, die uns versicherten, dass ein Mitarbeiter in 60-90 Minuten vor Ort sein würde, schrieb Tani mit unserem Daniel Düsentrieb aus der Heimat. Dieser meinte, dass es sicherlich ein Sicherungsproblem wäre und tatsächlich fand Tani nach einigem Suchen die kaputte Sicherung. Er tauschte sie aus, startete den Motor und TADAAAAA der Blinker funktionierte wieder. Genau in dem Moment, als Tani vor Freude laut aufjauchzte, hupte es hinter unserem Bus. Der sehr flotte ADAC-Mitarbeiter hatte gerade einmal 10 Minuten benötigt. Peinlich berührt erklärten wir ihm, dass wir das Problem nun schon selbst beheben konnten. Er schaute noch einmal genauer nach, drückte uns ein paar neue Sicherungen in die Hand und mit einem sehr freundlichen Lächeln und einem „Macht euch keine Sorgen, ist ja alles schon bezahlt“ fuhr er wieder seines Weges. Wir starteten unseren Gefährten wieder und fuhren weiter. Etwa 1km weit sind wir gekommen, da meinte Tani: „Ach wir haben so ein Glück. Wir hatten in dem ganzen Jahr nicht eine große Panne, bei der Björni einfach stehen geblieb...“
KNALL... RASSEL... KLAPPER...
Björni nahm kein Gas mehr an und wir mussten langsam ausrollen. Zu unserem Glück war die Autobahn recht leer, sodass wir heil auf den Standstreifen ziehen konnten und gleich hinter einer Auffahrt zum Stehen kamen.
Der ADAC wurde erneut angerufen und sie schickten uns einen Abschlepper.
Die erste „Schnelldiagnose“ des Mannes, der unseren Björni aufbockte war, „Kupplungslamelle“. Damit nahm unsere Reise ein jähes Ende. Wir wurden zum Abschlepphof gebracht, bekamen ein Ersatzauto, um zurück in die Heimat fahren zu können. Dort warten wir jetzt auf unseren Björni, der in ein bis zwei Wochen in unsere Werkstatt geliefert werden soll.
Es war ein unendlich niederschmetterndes Gefühl, alles was wir besitzen, dort lassen zu müssen. Alles, was wir innerhalb von 20 Minuten zusammenpacken konnten, stopften wir in unsere Rücksäcke und verstauten alles im Mietauto. Wir fuhren vom Abschlepphof und sahen unseren Björni im Rückspiegel ein letztes Mal. Das Gefühl, einen guten Freund einfach zurück zu lassen, breitete sich in uns aus und wir waren sehr niedergeschlagen. Es fiel uns sehr schwer einen Plan für die nächsten Tage zu machen und noch schwerer war es, zu begreifen, dass dies das absolute Ende unserer Reise war.
„Ich glaube unser Björn ist schwul“ meinte Tani mit einem schwachen Lächeln in die gedrückte Stille hinein.
„Wie kommst du denn darauf?“ wollte Sarah wissen.
„Naja... er ist jetzt schon zum zweiten Mal von einem Mann abgeschleppt worden.“
Immerhin schaffte es Tani damit, seiner Sarah ein kleines Lächeln auf ihr trauriges Gesicht zu zaubern.
„Wir sind halt die ultimativen Ver-kuppler“, nuschelte sie noch und wir lachten uns beide an.
Zunächst mussten wir eine Unterkunft für die Nacht finden und beschlossen, direkt bis Leipzig durchzufahren, um dort herzlichst von Sarah's Papa und seiner Frau begrüßt zu werden. Es war alles sehr komisch und dennoch so vertraut wie immer. Nach zwei Tagen und 645.254.522 gesprochenen Wörtern, verabschiedeten wir uns zwei Tage später von den beiden und machten uns auf den Weg nach Dresden.
Die Ankunft in Dresden haben wir uns immer so vorgestellt:
Bei warmen Wetter und Sonnenschein fahren wir durch das „Dresdner Tor“ und sehen „unsere“ Stadt vor uns liegen. Das Wiedererkennen, wenn wir Straßen passieren, die uns bekannt sind und die Aufregung, endlich unsere Familien und Freunde zu überraschen, die noch nicht ahnen, dass wir ein paar Tage früher zurück sind. Wir haben uns auf die erstaunten Gesichter gefreut und darauf, allen unseren weit herum gekommenen Björni vorzustellen.
Die Realität sah allerdings etwas anders aus und das leider nicht nur, weil Dresden bei 2 Grad im Nebel lag und wir nicht, die in der Sonne glitzernden Dächer, sehen konnten. Außerdem war es ohne unseren geliebten Bus nicht das Ankommen in der Heimat, dass wir uns gewünscht hatten.
Vor einem Jahr haben wir am Vortag unserer Reise, den Zimmermännern gleich, einen Whiskey in Tani´s Heimatdorf vergraben. Nach unserer Ankunft dort, wurde der feierlich (nach dem dritten gebuddelten Loch), als Zeichen unserer Ankunft, ausgegraben.
Seit einigen Tagen sind wir nun schon in der Heimat, wurden von Freunden und Familien unendlich herzlich empfangen und ganz langsam kommt der Gedanke an, wieder zu Hause zu sein. Nun warten wir immer noch auf unseren Björni und somit auf unsere Wohnung. Wir sind nicht traurig darüber, dass unsere Reise ein so überraschendes Ende nahm, sondern sehen es eher so, dass uns Björn durch ganz Europa gefahren hat, bevor er das erste Mal eine größere Panne hatte. Uns beiden ist dabei zum Glück nichts passiert und Dank der sehr kompetenten Hilfe des ADAC lässt sich auch alles Weitere recht unkompliziert organisieren. Effektiv haben wir nur eine Woche unserer Zeit „on Tour“ verloren und die Anteilnahme, die wir nicht nur von Freunden und Familien erfahren haben, sondern auch von Menschen, von der ganzen Welt, die wir nicht einmal kennen, ist unfassbar. Nun müssen wir erst einmal ankommen, alles verarbeiten und uns langsam aber sicher wieder in die „Zivilisation eingliedern“.
Einige Fragen bleiben dennoch offen. Wann kommt unser Björni und was muss alles repariert werden? Wie wird es uns gehen, wenn wir wieder fest an einem Ort sind, in einer Großstadt? Was ist, wenn uns das alles erdrückt und einengt, wenn wir uns nicht eingliedern können in den „Alltagsstress“? Was tun wir, wenn uns das Fernweh zu zerreißen droht? Ganz viele Fragen und Gedanken schwirren uns durch die Köpfe. Auf keine gibt es eine exakte Antwort. Nur, dass es uns die Zeit zeigen wird.
Sicher ist, dass wir uns auf unserer Reise verändert haben. Viele Denk- und Sichtweisen haben sich geändert, Prioritäten haben sich verschoben und wir sind sehr an uns gewachsen. Es wird eine spannende nächste Zeit und wir hoffen, dass wir es schaffen, trotz Alltagsstress und Arbeit die Ruhe, die wir in den letzten 12 Monaten in uns gefunden haben, zu bewahren und wir uns weiterhin Zeit für uns selbst nehmen. Was uns dabei sehr hilft sind all die Bilder, Erfahrungen und Erlebnisse des vergangenen Jahres, die Motivation im Dezember erneut zu starten und natürlich haben wir uns. Wir haben gelernt, uns gegenseitig in jeder Situation zu unterstützen, füreinander da zu sein und uns Kraft zu geben.
Jetzt haben wir erst einmal ein halbes Jahr in „unserer“ Stadt, bevor ein nächstes Abenteuer startet. Dieses ist gerade noch in Planung und sobald wir einen festen Plan haben, werden wir euch natürlich umgehend bekannt geben, wohin genau uns unser Weg führen wird. Bis dahin gehen wir beide zurück zu unseren ehemaligen Arbeitgebern und werden wieder als Krankenpfleger arbeiten.
Doch bis dahin:
Hallo,
Wir sind Tani und Sarah. Wir haben ein Jahr lang in einem selbst ausgebauten Camper gelebt, den wir Björn getauft haben. Gemeinsam haben wir Europa bereist und insgesamt 22 Länder gesehen, durchfahren und erlebt. Mit dieser Reise haben wir uns unseren Traum erfüllt, von dem wir noch unser Leben lang zehren werden. Wir sind über 42.000 km gefahren und sind an jedem Abenteuer und mit jeder Herausforderung gewachsen.
Das sind wir, Tani und Sarah. Wir können es kaum erwarten, zu erleben, wo uns unserer Lebensweg noch hin führt, doch vorerst heißt es:
Es ist Zeit, zu Hause anzukommen.
Liebe Grüße natürlich auch von Björn vom Abschlepphof!
Kommentar schreiben