Der zweiköpfige Adler auf rotem Grund

„So... tadaa... hier ist es … mein erstes selbstgebackenes Brot in unserem neuen Omnia-Backofen...“, sagte Sarah voller Stolz und präsentierte ihr Werk. Wir hatten uns einige Tage zuvor endlich den Traum vom Gasherd-Backofen in Gugelhupfform erfüllt und probierten nun allerhand aus. Es gab Pizza, Muffins, Brötchen, Auflauf und frisches Brot. Nur Tani´s Vorschlag, einen Truthahnbraten zuzubereiten wurde vehement abgelehnt. 

„Daf Brot fmegt fabelhafft...“ mumpelte Tani vor sich hin, den Mund voller gebackener Köstlichkeit. „Und nifft nur daff...“ sagte er und schluckte einen großen Bissen hinunter, „ … es ist Brot, welches wie ein Kuchen aussieht... wie genial ist das denn.“

Wir waren begeistert, auch wenn wir uns noch etwas unerfahren mit der für uns größten Errungenschaft der Campingküche anstellten. Den Stellplatz der freundlichen Gebrüder Zampetas in der Nähe von Thessaloniki hatten wir verlassen und machten uns auf in Richtung Halbinsel Sithonia, die weiter südlich gelegen ist. Die Küste wurde uns von Gabi und Fred empfohlen und wir waren gespannt auf die tollen Landschaften und Strände, die uns versprochen wurden. Das Wetter war weiterhin wechselhaft: von warm und sonnig, zu kalt und nass und das mehrfach täglich im Wechsel. Dies strengte unsere Körper ganz schön an.

Unsere beiden Freunde hatten uns aber nicht zu viel versprochen, die Gegend war wirklich atemberaubend schön, nur leider konnten wir viele der Stellplätze direkt am Meer nicht erreichen. Durch die anhaltenden Regengüsse und den nassesten Winter seit vielen Jahren, waren die Straßen überflutet und zum Teil sogar einfach weggebrochen und so dauerte auch die Stellplatzsuche wieder einmal ein bisschen länger. In Unterhaltungen und Zukunftsvisionen vertieft, fuhren wir um eine Linkskurve und konnten kaum glauben, was wir dort sahen. Mitten aus dem Nichts tauchte ein riesiger schneebedeckter Berg auf und wir waren sprachlos.

Es ist jedes Mal auf's Neue schön zu bemerken, dass wir immer noch den Anblick jedes einzelnen Berges genießen und nicht durch ein Überangebot an wunderschönen Landschaften abgestumpft sind, so dass es uns „nicht mehr interessiert“. Mit Blick auf diesen besagten Berg fanden wir eine Stelle am Strand, die wir mit unseren vier Rädern befahren konnten, ohne Björn in ein Boot verwandeln zu müssen. Einen Tag verbrachten wir dort und kamen unserem Neujahrsvorsatz endlich mal wieder nach. Sport machen. Seitdem wir angefangen hatten unsere Körper wieder auf Vordermann zu bringen, ging es uns viel besser. 

Nicht nur, dass wir nachts besser schliefen, wenn wir unsere erschöpften Muskeln zur Ruhe betteten, sondern wir bemerkten auch, dass wir uns im Allgemeinen viel fitter fühlten. Zudem ist es ein herrliches Gefühl, am nächsten Morgen mit Muskelkater aufzuwachen und zu wissen, dass man Etwas für das eigene Wohlergehen getan hat. Mit dem Bild einer maskulinen aufgepumpten Katze im Kopf meinte Tani: „Gott sei Dank kommt der Muskelkater immer erst am nächsten Morgen... nachts wöllte ich dem nicht begegnen!“

Sarah erwiderte daraufhin: „Weißt du eigentlich, dass ich durch deine flachen Witze wirklich Angst habe mit einer platten Stirn nach Hause zu kommen? ...So oft wie ich mir an den Kopf klatschen muss.“

Fast einen Monat waren wir jetzt schon in Griechenland unterwegs. Zwar freuten wir uns sehr auf Albanien, doch wir schoben die Ankunft in dem Land des doppelköpfigen Adlers auf rotem Grund, noch etwas vor uns her. Wir waren uns nicht sicher, ob es durch die Strecke in den Norden wieder kälter werden würde. Doch da die Gesamtzeit unserer verbleibenden Reise immer weiter zusammenschrumpft, beschlossen wir eines Tages uns aufzuraffen und zu neuen Abenteuer aufzubrechen.

Wir blieben insgesamt drei Tage auf der Halbinsel, bevor wir soweit waren, um unser letztes Ziel in Griechenland anzufahren. Die Klöster von Meteora. Auf dem Weg dorthin nutzten wir die Chance und machten noch einmal bei den Brüdern Zampetas Halt, um unsere Gasflasche auszutauschen, denn sie haben deutsche 5kg Propangasflaschen im Angebot.

Die Klöster liegen recht weit oben in den Bergen, somit ist es dort auch wesentlich kühler. Für die kommende Nacht waren -3°C angesagt. Wir überlegten, ob wir die Sehenswürdigkeit ausfallen lassen sollten, damit Tani es nicht erneut schaffte, dass seine Zunge im Inneren des Busses an der Karosserie festkleben blieb.

„Ich dachte halt, das ist Wassereis für lau!“, meinte er achselzuckend. Nach einigem Hin und Her entschieden wir zu den spektakulären Bauwerken zu fahren, sie zu besichtigen und danach direkt in Richtung Küste weiterzufahren, die eine wärmere Nacht versprach. Geplant, getan. Wir erreichten Meteora bei herrlichstem Sonnenschein und sahen die Klöster schon von weitem. 

Sie sind hoch oben auf verschiedene Felsen gebaut und geben ein wunderschönes Bild in der atemberaubenden Landschaft. Sie gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe und bestehen insgesamt aus 24 Einzelklöstern. Von diesen sind nur noch sechs bewohnt und auf Grund der im Nacken sitzenden Kälte, beschränkten wir unseren Besuch auf nur zwei. Da Schulter und Knie für einen Besuch der Räumlichkeiten bedeckt sein müssen, band Sarah sich kurzerhand ihren Schal als Wickelrock. Wir wurden eingelassen und genossen einen herrlichen Ausblick von den Terrassen und Türmen der Ordenshäuser, auf das umliegende Land.

Aber nicht nur die Aussicht verzauberte uns, sondern auch die farbenreichen Wandermalereien der kleinen Kapellen im Innern. (Fotos schießen war leider nicht erlaubt.) Es war so prunkvoll und detailgetreu, dass wir aus dem Staunen nicht heraus kamen. Es begegneten uns ein paar alte Nonnen, die mit Sicherheit noch nach allen Regeln ihres abgelegten Gelübdes leben. Wir grüßten sie nett und verließen die heilige Stätte, da leider noch ein weiter Weg bis zur Küste vor uns lag. Wir setzten uns wieder in unseren Björni und fuhren los. Ziel war eine wunderschön gelegene Stelle am Meer, nur wenige Kilometer von der albanischen Grenze entfernt. Unsere letztes Zuhause für eine Nacht in Griechenland. 

Bei einem wunderschönen Sonnenuntergang ließen wir den vergangenen Monat noch einmal Revue passieren. Es waren ein paar spannende, schöne und erlebnisreiche Wochen. Griechenland, mit seinen rauen Bergen, der farbenfrohen Landschaft, dem klaren Wasser und den spektakulären Ausblicken, die wir einfangen konnten, gehört definitiv mit an die Spitze unserer bisher bereisten Länder.

Am nächsten Morgen genossen wir ein sonniges Frühstück zwischen Ziegen und dann ging es auf in Richtung Albanien. 

Nachdem wir uns unseren Weg zwischen den Ziegen und Schafen hindurch erkämpft hatten, passierten wir ohne große Probleme die Grenze und hatten das Gefühl, dass sich die Landschaft nach nur wenigen Kilometern komplett verändert hatte. Die Berge wirkten, vielleicht auch wegen ihrer nur spärlich bewachsenen Hänge, sanfter. Das Tal, welches wir auf unserer Straße durchfuhren, war freundlich und einladend. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und es roch nach Frühling. Ein perfekter Start für ein neues Land. Auch nach fast neun Monaten, ist es immer noch spannend in ein neues Land zu reisen, vor allem wenn man es vorher noch nie bereist hat.

Unser erstes Ziel war die Stadt Saranda. Dort wollten wir uns eine Prepaid-Karte für das Telefon kaufen, damit wir weiterhin Internet für unsere Recherchen, Stellplatzsuche und Navigation hatten. Albanien ist kein EU-Land und damit auch nicht in den Roaming-Verträgen abgedeckt. Das bedeutet, dass wir unsere normalen SIM-Karten nur sehr teuer hätten verwenden können. Wir fanden einen Vodafone-Laden und kauften uns eine Prepaid-Karte mit 5,5 GB Datenvolumen für 800 LEK plus 1200 LEK Guthaben, das waren umgerechnet etwa insgesamt 16€. Die Karte funktionierte ohne Probleme und wir freuten uns sehr, wie unkompliziert alles von statten lief. Nächster Halt war der Ksamil-Beach. 

Beschreibungen zu Folge waren wir auf weiße Sandstrände und türkisfarbenes Wasser vorbereitet. Wir nutzten gleich das neu erworbene Datenvolumen, um uns eine Stelle am besagten Strand zu suchen. Wir durchquerten kleine Ortschaften mit mäßig ausgebauten Straßen, bis wir zu einer Baustelle kamen. Diese eroberten wir, fuhren unter einem riesen Kran hindurch und machten die Baustelle unsicher. Es interessierte keinen. Im Gegenteil, alle freuten sich und haben uns gewunken. Wir waren leider nicht mehr so guter Dinge, als wir weiter durch die Bauarbeiten fuhren und bemerkten, dass der Stellplatz nicht mehr existierte. Die auf Bildern beschriebene einsame Stelle im Grünen musste für ein Hotel weichen. Tourismus hat eben auch seine negativen Seiten. Mal abgesehen von den vielen Hotel-Neubauten, erinnerte uns die Gegend eher an die Bahamas als an Albanien. „Kennst du eigentlich den Begriff für gruselige Vorfahren?“, wollte Tani von Sarah wissen und sie dachte sich schon, dass sie sich gleich wieder mit der flachen Hand an die Stirn schlagen würde. „Das sind die sogenannten Alb- Ahnien.“

...klatsch...

Sarah hatte die Zeit genutzt, die Tani am Schneiden der letzten Videos benötigte, um einige Ziele für unsere Tour durch das Land herauszusuchen.

Gleich am darauffolgenden Tag steuerten wir das Nächste auf der Liste an. Die Quelle „Syri i kalter“ oder auch als „Blue Eye“ bekannt, ist mit 6m³/s die wasserreichste des Landes. Das extrem klare Wasser kommt direkt aus dem Berg in einen Quelltopf gesprudelt, dessen Tiefe bis heute nicht genau ermittelt werden konnte. 

Das Wasser erhält dadurch eine extrem blaue Farbe, die dem kleinen See seinen Namen gegeben hat. Das Naturspektakel erreichten wir über eine sehr ungemütliche Straße. Nur ein kleines Schild verwies auf die Sehenswürdigkeit. Wir schlugen uns durchs Gebüsch und standen nach wenigen Metern vor dem „Blauen Auge“ Albaniens. Wir wussten nicht so richtig, was wir sagen sollten. Es war der Wahnsinn! Die Bilder, die wir vorher im Internet gesehen hatten und auch die, die wir selbst schossen, konnten nicht im Ansatz die Schönheit dieses kleinen Naturwunders beschreiben. 

Man sah das Wasser buchstäblich in den kleinen See sprudeln. Das tiefe blau des Wassers harmonierte mit dem kräftigem grün der umliegenden Bäume und Büsche und wir fühlten uns wie in einem Dschungel. Dazu waren wir vollkommen allein und hörten nichts als beruhigendes Plätschern und leises Zwitschern. Die Sonne, die auf die kleine Lichtung fiel, verstärkte den gesamten Effekt noch und wir verliebten uns ab diesem Moment in das Land. Tani sah zu Sarah... „und ich dachte, ich mag grüne Augen“, er zwinkerte ihr schelmisch zu und grinste breit über das ganze Gesicht. In solchen Momenten, in denen einfach alles zu passen scheint, spüren wir eine einfache, aber völlig einnehmende Glückseligkeit in uns. Wir können es mit Worten kaum beschreiben. Wir starrten dieses Wunder im Herzen der Natur an und merkten gar nicht, wie die Zeit über unserem Staunen verging. Als wir es schafften, uns von diesem Zauber zu lösen, stiegen wir wieder in unseren Björni und verließen das Blue Eye. 

Wir durchfuhren die nächsten Tage den Süden des Landes und verliebten uns immer mehr in Albanien. Hohe und zum Teil schneebedeckte Berge säumten unendlich weit wirkende Ebenen und wir hatten das Gefühl, in unserem Bus winzig klein zu sein. Die Straßen, die wir befuhren, liefen entlang an türkisfarbenen Flüssen. 

Nicht nur die Landschaft war beeindruckend, auch die Herzlichkeit und Freundlichkeit der Menschen fiel uns von Anfang an auf. Die Albaner, an denen wir vorbeifuhren winkten uns, blieben mitten im Gehen stehen, um uns anzulachen. Einige zeigten uns den Weg, wenn wir uns in einer Stadt verfahren hatten. Sie bestaunten unser Auto und schauten uns lange hinterher. Wenn wir durch kleine Ortschaften fuhren, kamen wir uns fast wie Promis vor und wir fragten uns, ob das Spiel „zeig auf den grünen Bus“ ein Nationalsport war, denn nahezu alle staunten über Björn. Die Menschen die uns begegneten, wirkten vollends glücklich mit ihrem teilweise sehr einfachem Leben. Sie strahlten eine Zufriedenheit aus, die wir bisher auf unserer Reise nur sehr selten erlebt haben. Unser Tank neigte sich dem Ende, so fuhren wir an eine Tankstelle und ließen voll tanken. Wir mussten leider feststellen, dass keine unserer Kreditkarten bzw. EC-Karten ging und wir nicht genügend Bargeld dabei hatten. Für den Tankstellenwart war das alles kein Problem. Er teilte uns mit, dass wir in die nächste Stadt fahren können, um Geld zu holen, um dann zu bezahlen.

Das Vertrauen, welches uns da zuteil wurde, fanden wir wirklich verrückt, schließlich sind wir fremde Menschen. Junge Leute überholten uns auf der Autobahn, fuhren Schritttempo und riefen uns strahlend auf Deutsch zu, ob alles in Ordnung sei. Wir bekamen an Tankstellen und Supermärkten Getränke geschenkt und wurden lachend begrüßt und/oder verabschiedet. Wir fühlten uns überall herzlich Willkommen. Im krassen Gegensatz zu diesen unglaublich schönen Dingen, stand die Müllsituation und das schlechte Straßennetz des Landes. Das Land ertrinkt förmlich im Müll. Die Menschen schütten ihre Müllsäcke einfach in die Natur und mehr als einmal sahen wir, wie gefüllte Abfallbeutel bei voller Fahrt einfach aus dem Auto geworfen wurden. Nicht nur einzelne Müllplätze säumten die Straßenränder, sondern abfallfreie Stellen waren die Seltenheit. Es war wirklich erschreckend. 

Fuhren wir an Flüssen entlang, waren dessen Ufer voller Plastikabfall; fanden wir eine schöne Stelle, wurde diese durch tonnenweise Müll verschandelt. Mehr als einmal verließen wir eigentliche Traumstellplätze, weil wir das Gefühl hatten auf einer Müllhalde zu stehen. Dazu kam, dass die Straßen in Albanien zum Teil in so einem schlechten Zustand sind, dass wir oftmals stundenlange Umwege in Kauf nehmen mussten. Unser Navi wollte uns über Wege und Brücken führen, die definitiv nicht mehr befahrbar waren.

Schlaglöcher, die so lang wie unser Bus und bis zu einem halben Meter tief sind, kamen mehr als einmal vor, wenn die Straße überhaupt betoniert war. Es tat uns unendlich leid, was wir unserem treuen Björni antun mussten. An einem Tag fuhren wir 9 Stunden, bis wir endlich eine einfache Stelle zum Stehen fanden. Das viele „sinnlose“ Fahren auf Wegen, die uns zum Umdrehen zwangen und das fehlerhafte Navigationssystem, welches uns über „Straßen“ führen wollte, die zum Teil noch nicht einmal angelegt waren, zerrten sehr an unseren Nerven.

Einige Ziele mussten wir ausfallen lassen, weil die Straßenverhältnisse einfach zu schlecht waren. Wenn uns unser Navi für 30km etwa 3 Stunden Fahrtweg berechnete, wussten wir schon, was uns erwartete und wir machten gleich kehrt. Über einige Umwege und eine abenteuerliche Anfahrt erreichten wir schließlich die „heißen“ Quellen von Permet. Eine kleine wunderschön geschwungene Steinbrücke führte uns zu einem künstlich angelegten Becken, in das das etwa 20°C warme Wasser sprudelt. 

Zwischen der Brücke, die über einen kleinen blauen Fluss verläuft und hohen schneebedeckten Bergen, konnten wir ein traumhaft schönes Bad nehmen, mal wieder ganz für uns alleine. Auch das Erwachen am nächsten Morgen mit dem selben wunderschönen Ausblick, war ein Hochgenuss. Wir beschlossen den Tag zu bleiben und mal wieder ein bisschen was gegen unsere Winterschwarten zu tun. Bei so einem Ambiente lässt es sich doch tausendmal einfacher Sport machen. Es war ein herrlicher Tag, der mit pochenden Muskeln und der Gewissheit eines nahenden Muskelkaters endete. Wir waren so dankbar für diesen tollen Sonnentag.

Mit schmerzenden Gliedern machten wir uns am nächsten Tag auf, um die Stadt Berat zu besichtigen. Wir fanden einen kleinen süßen Stellplatz im Herzen der Stadt, den wir uns mit ein paar Franzosen teilten. Wir wurden kurzerhand eingeladen und standen wenige Augenblicke später mit den beiden französischen Ehepaaren zusammen vor unserm Björni, jeder bewaffnet mit einem Cocktail in der Hand.

Wir schwatzten eine ganze Zeit lang und erfuhren, dass auch diese beiden Paare, zusammen mit ihren insgesamt 5 Kindern schon einige Monate in ihren Wohnmobilen unterwegs waren. Es war eine lustige Truppe und ein schöner Abend, der mit einem kleinen Schwipps endete. „Üsch verrrdrag auch garnüscht mähr“ lallte Tani mit einem schiefen Grinsen. „Wir müssen... müssen einfach mähr dringen...“, hickste er noch, bevor er von einer auf die andere Sekunde eingeschlafen war.

 

Am nächsten „Morgen“ starteten wir nach einem späten Frühstück zu unserer Stadttour. Bekannt ist die kleine Metropole für ihren Altstadtteil, der als „Die Stadt der tausend Fenster“ einen UNESCO-Weltkulturerbe-Titel erhalten hat. Doch wir wollten vorher die Burg auf dem Gipfel des Stadtberges besichtigen. Diese Befestigungsanlage ist noch immer bewohnt und wird von Einheimischen „die Stadt in der Stadt“ betitelt. 

Nach einem steilen Aufstieg kamen wir schnaufend am Gipfel an. Ein 360° Blick über das umliegende Land war die Belohnung für den anstrengenden Marsch.  Entlang eines türkisfarbenen Flusses erstreckte sich Berat bis weit in die Ferne, bis es sich am Fuße von hohen Bergen verlor.

Nachdem wir die Burg ausgiebig besichtigt und uns an dem fantastischen Blick satt gesehen hatten, stiegen wieder hinab, bummelten noch ein bisschen durch die Stadt. Da wir einen straffen Plan für Albanien hatten fuhren, wir gleich noch an diesem Tag weiter und fanden abends im Dunkeln einen kleinen Stellplatz, direkt am „Osumi Canyon“. Doch erst am nächsten Morgen, als wir wieder Tageslicht und Sonnenschein hatten, konnten wir den wunderbaren Ausblick auf einer Panoramaplattform genießen. 

Es war unglaublich. Die Schlucht mit einer Tiefe von 450 Metern zieht sich etwa 26 Kilometer durchs Land. Der Fluss, der sich zwischen den hohen Felsen entlang schlängelt, kann nur im Frühling, wenn das Schmelzwasser den Pegel anhebt, komplett mit Booten befahren werden. Selbst Tani, der wegen seiner Höhenangst schlucken musste, genoss den fantastischen Blick in die Tiefe.

Danach folgte der schlimmste Autofahrtag seit Langem.

Um Albanien von der Südgrenze bis in den nördlichsten Zipfel zu durchfahren benötigt man etwa sieben ein halb Stunden. Wir fuhren Dank der schon beschriebenen schlechten Straßenverhältnisse 9 Stunden und das nicht, um das Land zu durchqueren, sondern einfach um einen Stellplatz für die Nacht zu finden. Wir versuchten mehrere Stellen anzufahren, doch wenn wir es überhaupt schafften eine zu erreichen, so war sie dann entweder gesperrt, nicht mehr vorhanden oder überschwemmt.

Unsere Laune sank in den Keller. Es wurde immer später und als es uns dann reichte und wir einfach keine Lust mehr hatten weiterzufahren, begnügten wir uns mit einer Strandzufahrt zwischen einem Hotel und einer Kneipe. Immerhin hatten wir kostenfreies offenes WLAN von dem Hotel und es schien niemanden zu stören, dass wir dort übernachteten. Es war wirklich zum verrückt werden. Wir berieten uns, wie wir die nächste Zeit weiter fahren sollten. Tirana wollten wir auslassen, da uns beide nicht der Sinn nach einer großen Stadt stand. Die Entscheidung Albaniens Hauptstadt auszulassen fiel uns zwar nicht ganz leicht, vor allem da sie uns von einigen Leuten wärmstens empfohlen wurde, doch wir waren so erschöpft von den vielen vielen Kilometern, die wir die letzten vier Tage hinter uns gebracht hatten, dass wir uns gegen die riesen Metropole entschieden. Dazu kam, dass wir täglich mit hohen Temperaturschwankungen zu tun haben. Tagsüber sind sonnige 20 Grad und nachts fällt die Temperatur auf null Grad. Das macht unseren Körpern gerade zusätzlich sehr zu schaffen.

Wir fanden ein super Preisleistungs-Angebot, buchten ein Zimmer und gönnten uns noch einmal zwei Nächte in einem Hotel. Das Personal stand den restlichen Bewohnern Albaniens in Punkto Freundlichkeit in nichts nach. Auch wenn oder vielleicht gerade weil wir die wahrscheinlich einzigen Gäste waren, wurden wir geradezu luxuriös behandelt. Das im Preis inbegriffene Frühstück war fantastisch und das Zimmer traumhaft, mit einem Balkon mit Meerblick.

Am Ende des Aufenthaltes schüttelte uns der Chef des Hotels sogar persönlich die Hand und schenkte jedem einen Albanischen Brandy. Wieder einmal fühlten wir uns wie Promis.

Unsere Batterien waren wieder aufgefüllt und wir starteten guten Mutes in unseren heimischen vier Buswänden. Die wenigen Ziele, die wir schafften zu erreichen, waren abgehakt. Die kommenden Tage wollten wir unser restliches Datenvolumen aufbrauchen, welches noch auf unserer Prepaid-Karte verblieben war und danach wollten wir nach Montenegro weiterfahren. An diesem Nachmittag fanden wir eine schöne Stelle an einem Strand, idyllisch zwischen Pinien gelegen und beglückwünschten uns einmal mehr zu einem gelungenen Fund. Wir legten uns ins Bett und schliefen ruhig ein.

Gegen ein Uhr nachts wurden wir beide von dem lauten Brausen des Windes geweckt. Der an den Scheiben rüttelnde und pfeifende Sturm, das Wackeln des gesamten Busses und der Sand, den es uns vom Strand gegen das Auto wirbelte, machte alles in allem so einen Lärm, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war. Wir hatten ein wenig Angst, dass uns ein Baum auf's Auto kippen könnte und so beschlossen wir gleich umzuparken und eine Stelle zu suchen, in der unser Leben nicht von der gemeinen Pinus Pinea bedroht wurde. Das war eine sehr weise Entscheidung. Der starke Wind weitete sich zu einem Orkan, mit einer Stärke von 50km/h, aus. Am nächsten Morgen mussten wir mit ansehen, wie ein Baum nach dem anderen weg knickte und hätten wir keinen anderen Parkplatz gefunden, hätte sie unseren Bus begraben. 

Das Wetter wurde so wild und gefährlich, das uns nichts anderes übrig blieb, als wieder in einer Unterkunft Zuflucht zu suchen. Wir buchten ein nahegelegenes Hotel und am Empfang wurde uns gesagt, dass es durch den Sturm eine Leitung gekappt hatte und in der ganzen Stadt der Strom ausgefallen war. Nachdem wir über zwei Stunden bibbernd vor Kälte im dunklen Hotelzimmer saßen, ging das Licht an und wir konnten endlich heiß duschen gehen und unsere durchgefrorenen Knochen aufwärmen.

Und in diesem Hotel sind wir jetzt und werden vorerst den Wetterbericht genaustens im Auge behalten. Beim Frühstück teilte uns eine Hotelangestellte mit, dass wir eine gute Entscheidung getroffen hatten, denn 15km entfernt wütete der Sturm so heftig, dass Busse und Auto's umgekippt waren. Wir hoffen das sich das Wetter recht schnell wieder beruhigt und wir unsere Fahrt nach Montenegro fortsetzen können. Drückt uns dafür bitte die Daumen.

 

Bis bald! Euer Team Tuckerbus

Tani, Sarah & Björni

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Kommentare: 4
  • #1

    Gabi & Klaus (Sonntag, 24 Februar 2019 23:07)

    Wie immer ist es ein Erlebnis Eure Eindrücke in Wort und Bild zu verfolgen und es fällt mir immer schwieriger, die rechten Worte zu finden. Wir waren auch diesmal fasziniert von den Eindrücken die ihr so lebendig hinübergebracht habt.
    Hoffen wir, dass die flachen Witze und die platte Stirn Euch auch in Richtung Montenegro erhalten bleiben. Tani's lebendige Schreibweise hat mich übrigens zu Tränen gerührt, also Freudentränen.
    Und das mit dem Trinken bekommen wir wieder hin.
    Weiterhin Gute Fahrt und einen Gruss an Björni.

  • #2

    Sandra Kopp (Montag, 25 Februar 2019 08:50)

    Es macht so grossen Spaß euren Blog zu lesen und eure Abenteuer mitzuverfolgen... Wir kriegen nicht genug davon... Und auf Albanien freuen wir uns jetzt um so mehr. Weiterhin eine gute Reise und viele Grüße von der (immer noch) Südpeloponnes Sandra und Kilian �� ����

  • #3

    Fred Schulmeister (Mittwoch, 27 Februar 2019 15:37)

    Hallo ihr zwei lieben,
    ein wirklich super fantastischer Bericht. �
    Wir wünschen Euch weiterhin viel Spaß auf Eurer Reise�
    Liebe Grüße aus Griechenland �� von Gaby & Fred on Tour ��

  • #4

    Chris (Donnerstag, 28 Februar 2019 16:20)

    Hach....was soll ich sagen... ich dachte ich lese ein Buch und war traurig, dass es schon vorbei ist und der zweite Teil noch nicht geschrieben wurde. ;) Fantastisch! Tolle Story. Wunderschöne Fotos! Albanien habe ich mir ganz anders vorgestellt, muss ich zugeben. Gut, die Straßen und der Müll passten eher zu meinem Denken, aber die Landschaft ist wirklich ein Traum!!!
    Ich bin auf MEHR gespannt! Gute Reise weiterhin und lg aus Chemnitz.... (hier wird langsam Frühling) ;)