Wir wollten die ersten Tage unseres neuen Jahres auf ganz besondere Weise verbringen. Tani hatte Sarah zum Geburtstag zwei Nächte in einer Luxus-Junior-Suite in Pompei geschenkt. Diese dekadenten Räumlichkeiten beinhalteten neben einem Balkon auch einen Whirlpool, einen Kamin und einen LED-Sternenhimmel über dem riesigen Bett und der Wanne. Abends bestellten wir uns frische Steinofen-Pizza auf’s Zimmer und Früh wurde uns das Frühstück ans Bett gebracht. Durch das heiße Geblubber des Jacuzzis bis in die letzten Winkel unserer Körper entspannt, schafften wir die zwei Tage nicht viel mehr, als in den bereitgestellten Bademänteln und weißen Pantoffeln vom Bett zum Bad und vom Bad zum Kamin zu schlurfen. Wir fühlten uns wie neureiche Dekadentler. Insgeheim hofften wir, dass sich die restlichen Tage des Jahres an den ersten ein Beispiel nehmen würden, doch leider war das nicht der Fall.
Nach den zwei Tagen brachten wir unsere Sachen zurück in unseren Björni und konnten es kaum glauben, als wir das Hotel verließen. Vom Himmel herab schwebten kleine weiße Punkte… wir hofften inständig, dass dies Schnee und keine Asche ist. Super! Da haben wir eben die warmen Räume hinter uns gelassen, da fängt es doch an zu schneien.
Wir spazierten zu den nahe gelegenen Ruinen von Pompeji, weswegen wir eigentlich in der Stadt waren. Am Ankunftstags sahen wir den berühmten Vesuv schon von Weitem in den Himmel ragen. Das erste Mal, dass wir so etwas sehen. Aufgeregt und fasziniert bestaunten wir den Anblick des Vulkans und dennoch waren wir verblüfft, dass der Berghang so hoch besiedelt wurde. Weit über den Füßen des Berges standen kleine Siedlungen und noch weiter oben, kleine einzelne Häuser. Sollte es in der Zukunft einmal zu einem explosionsartigen Ausbruch kommen, die sehr schwer bis gar nicht vorauszusagen sind, könnte das der Tod von tausenden von Menschen sein.
Ein bisschen mulmig war uns bei diesem Gedanken schon, zumal wir kurz vorher sehr detaillierte Dokumentationen über die Vergangenheit dieses Vulkans gesehen haben und uns sehr bewusst war, wie schnell so was gehen könnte. In einer dieser Berichte sagte ein Sprecher, dass die Menge der Vulkanausbrüche auf die Anzahl der Menschen gerechnet, sehr gering sei und deswegen die Gefahr einfach vergessen wird. Genau so wirkte die Besiedlung des Hanges.
Nichts desto trotz freuten wir uns sehr auf den Besuch der alten Ruinenstadt Pompeji. Wir stellten uns in eine lange Warteschlange und kauften uns zwei Tickets. Die geschichtshistorische Metropole, die im Jahre 79 n. Ch. vom Vesuv verschüttet wurde, war viel größer als wir vermutet hatten.
Staunend gingen wir durch unglaublich gut erhaltene Gassen. Wir sahen Häuser, die noch hätten bewohnt werden können, liefen vorbei an öffentlichen Badehäusern, in denen die Menschen in verschieden temperierte Wasserbecken schlüpfen konnten und die durch ausgetüftelte Wasser- und Heizsysteme befeuert wurden.
Wir sahen viele schöne Gartenanlagen, verzierte Wände und sehr gut erhaltene Wandgemälde, hoch aufragende Säulen, das Amphitheater und Überreste der alten Tempelanlagen und der Basilika. Die Silhouette des Vesuv war von allen Straßen, Häusern, Gärten und Plätzen aus zu sehen. Es wirkte fast so, als schaute er bedrohlich auf die Stadt hinab.
Besonders beeindruckten uns die bekannten versteinerten Menschen, dessen letzter Lebensatem in Stein gebannt ist. Bei einigen Bewohnern der Unglücksstadt kann man sogar tatsächlich noch den letzten Gesichtsausdruck erkennen. Wir sahen Kinder, die für die Ewigkeit auf dem Schoß ihrer Mutter sitzen oder Männer, die beim Schlafen auf ihrer Lieblingsschlafseite liegend überrascht wurden und so für die Ewigkeit ruhen werden.
Einige versuchten noch die Arme als Wehr einzusetzen, doch dies brachte leider nichts. Wenn wir uns dann vor Augen führten, dass diese "Statuen" vor fast 2000 Jahren Menschen waren, die hier unter der Sonne wandelten und ein ganz alltägliches Leben führten, lief uns eine leichte Gänsehaut über den Körper.
Es war ein beeindruckendes und doch zugleich erschreckendes Erlebnis, welches wir dennoch jedem nur nahelegen können, der sich in dieser Gegend aufhält.
Unsere Ziele für Italien waren nun fast alle erreicht, doch eines fehlte uns noch… unser größtes Ziel: der Ätna auf Sizilien. Leider ist er nicht nur der größte Vulkan Europas, sondern auch einer der Aktivsten. Wir erhielten Anrufe und unzählige Nachrichten von euch zu Hause, ob wir es schon gehört hätten.
Seit dem 23.12.2018 gab es unzählige Beben auf der Insel. Der Boden riss an einer Stelle auf und bildete einen 2 Kilometer langen Lava und Rauch spuckenden Schlund. Nachdem wir uns informiert hatten, war uns bewusst, dass eine Besteigung des Berges damit für uns nicht mehr möglich war.
Tani sah Sarah schief grinsend an und meinte "Aber du würdest dich da oben sicherlich wohl fühlen... Drachen lieben Hitze."
Auch wenn ihm dieser Kommentar einen bitterbösen Blick einbrachte, wollten wir den Giganten wenigstens sehen. Das hieß für uns, weiter nach Süden. Paradoxerweise wurde es mit jedem Kilometer, den wir südlicher fuhren, kälter. Wir hatten Tage mit Höchsttemperaturen von 5°C, was einem noch viel kälter vorkommt, wenn man keine Heizung hat, um sich zwischenzeitlich aufzuwärmen. Nur wenn wir fuhren konnten wir die Lüftung aufdrehen und unsere Körper erwärmen.
"Weißt du was der größte Unterschied zwischen dir und Björni ist?" fragte Sarah. "Seine warme Luft treibt mir keine Tränen in die Augen. Nicht der Diesel verunreinigt die Luft, sondern du nach dem gestrigen Bohneneintopf!”
Tani tat gekonnt so, als hätte er das nicht gehört. Und dennoch ging der Punkt an Sarah.
Es war die bisher härteste Zeit für uns und auch die größte Geduldsprobe, die wir bisher zu bestehen hatten. Tage vergingen, in denen wir ein paar Stunden fuhren, nur um uns dann ab 17 Uhr in die Schlafsäcke zu kuscheln, weil wir es anders nicht aushielten. Zudem wurde es ja auch recht früh dunkel und wir mussten uns eingestehen, dass wir den Winter im Süden ganz klar unterschätzt hatten und spürten nun die Konsequenzen.
Es ist zur Routine geworden, jeden Morgen in unsere Wetter-App zu schauen, in der täglichen frischen Hoffnung, dass sich im Wochenverlauf irgendwas ändern würde. Dies war auch meist der Fall, doch wenn die Werte korrigiert wurden, dann meist nur nach unten. Wir hatten das Gefühl, nichts mehr vom Tag zu haben und nichts mehr zu erleben. Die Landschaften, die uns umgaben, waren natürlich herrlich und wir genossen die sanften Hügel bis hohen Berge und den Blick über ein ruhiges Meer, doch wir waren viel schneller gereizter Laune und hatten einfach keine Lust mehr auf Kälte.
Doch was sollten wir tun? Die Reise nur wegen ein paar Eiszapfen an der Nasenspitze abzubrechen kam nicht in Frage. Für längere Zeit eine Unterkunft zu buchen war uns zu teuer. Deswegen hatten wir nur eine Wahl: Dickere Schlübbis anziehen, Zähne zusammenbeißen und von wärmeren Zeiten unserer Reise Träumen… haaaaaach Spanien...
An dem Tag, an dem wir den südlichsten Zipfel von Italien erreichten, war es bewölkt, trüb und die Sicht war sehr begrenzt. Wir konnten zwar die nahe Küste von Sizilien sehen, doch der Ätna verbarg sich vollends im Schleier niedriger Wolken. Wir waren sehr enttäuscht, doch was sollten wir machen. Lange beratschlagten wir. Sollten wir noch einen Tag warten, nur um einen Blick auf den Vulkan zu erhaschen? Sollten wir vielleicht doch noch auf die Insel fahren und das Naturspektakel aus nächster Nähe erleben oder sollten wir gleich weiter nach Griechenland fahren und schauen, ob uns dort wärmere Gefilde erwarteten?
Wir waren sehr unschlüssig und redeten stundenlang über alle Möglichkeiten, ohne zu einem wirklichen Schluss zu kommen. Letztendlich fuhren wir zu einer schönen Stelle, die eine Stunde entfernt lag und beschlossen dem Vulkan am nächsten Morgen noch eine letzte Chance zu geben, dann wollten wir auch spontan entscheiden, ob wir noch nach Sizilien übersetzen oder nicht.
Am darauffolgenden Tag war das Wetter viel besser. Es wäre zwar übertrieben zu sagen, dass es warm war, aber in der Sonne ließ es sich ganz gut aushalten. Von unserem Standpunkt aus fiel uns am Horizont ein Berg auf, der aus dem Meer aufragte und Rauchwolken von sich zu stoßen schien. Nicht etwa der Ätna, sondern der Stromboli, war der erste Vulkan, den wir hier so weit im Süden zu sehen bekamen. Die aus ihm bestehende, gleichnamige Insel war schon Kulisse für Filme und Bücher. So nutzte Jules Verne den feuerspeienden Berg für das Ende seines Buches “Die Reise zum Mittelpunkt der Erde”, an dem sich Professor Oliver Lindenbrook durch den Schlot aus dem inneren der Erde wieder ins Freie katapultieren ließ.
Wieder im Hier und Jetzt lasen wir, dass der Vulkan seit 1934 durchgehend auf niedrigem Niveau aktiv ist. Die Tourismusbranche nutzt dieses unglaubliche Phänomen, um Menschen die Kraft der Natur aus nächster Nähe zu zeigen. Wir hingegen, genossen erst einmal den spektakulären Blick von Weitem.
Wir stiegen wieder in unseren Björni und fuhren zurück zu unserem Aussichtsplatz. Das Wetter war herrlich und wir wollten endlich den Ätna sehen. In den letzten Tagen hatten wir immer wieder versucht mehr über die aktuelle Situation auf Sizilien zu lesen und schrieben dafür auch unsere italienischen Freunde an. Nachdem der Vulkan sich wohl wieder etwas beruhigt hatte, sei es einige Tage zuvor aber wieder zu einzelnen Beben gekommen. Wir waren gespannt ob man davon irgendetwas sehen konnte. Schon wenige Kilometer vor unserem Zielpunkt sahen wir das riesige Felsmassiv und dann standen wir da, einen riesig großen Vulkan direkt vor Augen.
Der Berg war mit einer Höhe von 3329 Metern so schon wunderschön anzusehen, doch tatsächlich konnten wir aus dem schneebedeckten Gipfel dichte Rauchschwaden aufsteigen sehen. Sie waren nicht so dicht, wie bei akuten, großen Ausbrüchen, doch es war ein phantastischer Anblick, wenn man das so sagen kann. Leider war es trotz Teleobjektiv schwierig durch die vernebelte Luft gute und scharfe Fotos zu schießen und so beschlossen wir, das Naturereignis mal ohne Kameralinse zu genießen.
Wie schon gefühlte tausend Mal, besprachen wir die Pro´s und Kontra´s für einen Besuch auf Sizilien:
Pro: - Unglaubliche Landschaften.
- Es wurde uns von sehr vielen empfohlen.
- Wir waren JETZT hier, wann wären wir das nächste Mal so nah an der Insel.
- Sarah konnte sich aus aufgesammelter Vulkanasche eine Gesichtsmaske machen.
Kontra: - Der Ätna qualmte immer noch vor sich hin.
- Forscher haben noch keine Entwarnung gegeben, denn sie vermuten, dass sich die größte Spannung unter der Erde noch gar nicht entladen hat.
- Bei einem Ausbruch hätten wir unseren Björni zurücklassen müssen.
- Laut unserer Wetter- App sollten die nächsten Nächte auf der Insel mit bis zu -5°C sehr kalt werden.
- Die Fährkosten hätten wir uns billiger vorgestellt als 75€ pro Fahrt.
- Noch die Bilder aus Pompeji klar vor Augen, wussten wir genau welches Ausmaß an Konsequenzen ein großer Ausbruch zur Folge haben könnte.
Auch wenn uns die Entscheidung nicht leicht fiel, entschieden wir uns schweren Herzens GEGEN eine Fahrt zu den Füßen des Ätna und für die Sicherheit. Wir wollten eine zeitnahe Fähre nach Griechenland buchen und versuchen noch weiter in den Süden zu gelangen, um endlich die so sehr erhoffte südländische Winterwärme zu finden.
Wir planten eine Route zum Fährhafen in Bari und fanden einen schönen Stellplatz auf der Hälfte des Weges. Pünktlich zur Abenddämmerung kamen wir an der Stelle an. Sie war etwas erhöht in den Bergen gelegen und damit knackig kalt. In der Wetter-App lasen wir, dass es die Nacht schneien sollte und wir überlegten vielleicht doch gleich noch weiterzufahren, um dem angekündigten Schneetreiben zu entgehen.
In Italien herrscht Schneekettenpflicht, zumindest muss man sie dabei haben. Wir besitzen keine. Schon einige Male war uns mulmig, wenn wir die Polizei am Straßenrand sahen, da bei Zuwiderhandlung eine Strafe von 300€ fällig werden kann.
Wir berieten uns und meinten, dass selbst wenn Schnee fallen sollte, es sicherlich nicht DIE Masse wäre und wir schon durch die Berge kommen würden. Dazu kam, dass eine Strecke um die Berge herum ein riiiiiesen Umweg gewesen wäre. Wir gingen zu Bett und schliefen recht schnell ein.
1 Uhr nachts: Tani wurde wach und hörte den Schnee leise wispernd auf unser Autodach fallen, über das beruhigende Geräusch schmunzelnd schlief er wieder ein.
3 Uhr nachts: Tani erwachte erneut und aus dem sanften Flüstern des Schnees war ein kratziges Fauchen geworden. Es schien ein ganz schöner Orkan zu wehen, doch die beruhigende Wärme seiner 346 Schichten aus Decken, Klamotten, Kissen, Schals und dem dicken Schlafsack ließen ihn wieder ruhig ins Traumland entgleiten.
4 Uhr nachts: Sarah erwachte, da sich ihre Blase unsanft meldete. “Hätte ich doch bloß den Karotten-Ingwer-Grünkohl-Kleie- Saft am Abend weg gelassen.” dachte sie sich verzweifelt und wühlte sich aus ihrem Schlafkokon. Sie öffnete die Tür und für einen Moment vergaß sie in Süditalien zu sein, denn die Umgebung glich eher der Landschaft von tiefstem Winter in Sibirien. Unglaublich viel Neuschnee war herunter gefallen und hatte den Ort verzaubert. Sarah entledigte sich des Quälgeistes in ihrer Blase und huschte schnell wieder in ihren Schlafsack.
9 Uhr morgens: Wir erwachten und wussten beide, dass wir das Schneetreiben weit unterschätzt hatten. Schon durch unsere geschlossenen Fenster und die zugezogenen Gardinen rochen wir den Winter und erst jetzt machte sich bei uns ein unbehagliches Gefühl breit. Bei Tageslicht konnten wir das gesamte Ausmaß begutachteten. Stellenweise lagen bis zu 25cm oder mehr Neuschnee. Unser Björni war dick zugedeckt, die Bäume um uns herum sahen aus als wären sie von einer dicken Puderzuckerschicht überzogen und schienen sehr mit der neuen Last zu tun zu haben.
Wir waren gespannt, ob wir es wieder von unserem Parkplatz auf die Straße schaffen würden, da die Winterdienste, die die Straßen frei hielten, den Schnee vor unsere Zufahrt gefegt hatten. Björni startete problemlos und wir versuchten die Straße zu erreichen, doch nach wenigen Metern, ZACK... blieben wir im Schnee stecken. Gemeinsam schaufelten wir den Schnee vor den Rädern weg und versuchten es erneut. Wir schafften etwa stolze 30cm, bevor wir wieder zum Stehen kamen.
Nicht nur, dass wir nicht voran kamen, wir waren auch etwas zur Seite gerutscht. Erneutes Buddeln mit Händen und Füßen und ein erneuter Versuch brachten uns wieder etwa 30cm nach vorn und 40cm zur Seite. Tani hatte das seitliche Wegdriften Dank der Glätte nicht unter Kontrolle und wenn wir weiter so “Voran” kämen, dann würden wir mit unserer Seitentür an eine befestigte Mülltonne rutschen. Wir hatten zwar einen kleinen Klappspaten für wichtige Geschäfte im Wald dabei, doch der war gut verstaut in unserem Dachboden, der dick zugeschneit war und an den wir durch tiefhängende Äste nicht ohne Weiteres heran kamen.
Ein freundlicher Wohnmobilnachbar, der sich mit uns den Stellplatz geteilt und unsere verzweifelten Versuche beobachtet hatte, kam auf uns zu und drückte uns seinen kleinen Klappspaten in die Hand. Während Tani sich noch freundlich bedankte, hoffte er inständig, dass der nette Herr das Buddelinstrument nicht aus dem gleichen Zweck gekauft hatte wie wir...
Unsere Seitentür trennte nur noch wenige Zentimeter vom Mülleimer und es waren noch viele Meter bis zur so sehnlichst begehrten Straße. Wir machten keine halben Sachen mehr. Wir buddelten den kompletten Weg frei, unsere Räder und alles was unseren Weg ins Freie verhindern könnte.
Interessiert schaute uns der Wohnmobilnachbar mit seiner Frau zu, die wahrscheinlich insgeheim über das naive Jungvolk lächelten, die ohne Schaufel, ohne Schneeketten und offensichtlich ohne Ahnung, dem Schnee entgehen wollten. Tani setze sich wieder hinters Steuer, startete den Motor und fuhr langsam los. GESCHAFFT... auch wenn nur ein paar Millimeter Bus und Mülleimer von wildem Gekuschel getrennt hatten. Die restliche Fahrt durch die Berge war Dank eines unglaublichen Winterdienstes eher unspektakulär. Wir fuhren an einigen Bäumen vorbei, die der schweren Last des Schnees nachgegeben hatten und eingeknickt waren. Aber die Straßen waren im Allgemeinen frei und so konnten wir den Anblick der Winterlandschaft doch noch genießen.
Wir waren froh los gekommen zu sein, hatten wir doch für den nächsten Tag die Fähre fest gebucht. Außerdem sahen wir mit großem Schrecken, dass für die kommende Nacht -9°C (!!) angesagt waren. Nach einigem Überlegen buchten wir für unsere letzte Nacht in Italien eine Unterkunft. Wir genossen noch einmal in diesem Land eine heiße Dusche und dachten an die vielen schönen Dinge, die wir hier gesehen und erlebt haben. Nach einem italienischen Frühstück fuhren wir zum Hafen von Bari, um Abschied vom Stiefel zu nehmen.
Die Fähre, die wir gebucht hatten, fuhr am nächsten Tag 19.30 Uhr in Bari los. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Igoumenitsa sollte das Schiff dann direkt unseren Zielhafen in Patras ansteuern. Insgesamt sollte die Überfahrt 16 Stunden und 30 Minuten dauern. Oha. Für Sarah, die sowieso immer etwas magenempfindlich auf dem Wasser ist und für Tani, der schon bei unserer letzten Fährfahrt die foltertauglichen Eigenschaften eines Schlafsessels kennengelernt hatte, war das eine arge Herausforderung.
Doch als wir unser Deck bestiegen, wurden zumindest Tani’s Bedenken zerstreut. Die Sitze waren deutlich bequemer, als die schon Bekannten. Sie ließen sich in eine angenehmere Position zum Schlafen bringen und waren nicht mit Leder überzogen. Tani´s Hintern, der sich noch genaustens an die schrecklichen Qualen durch Überhitzung erinnerte, jauchzte laut auf.
"HAST DU GERADE GEPUPST?" fuhr Sarah in erschrocken an und sah sich wild um.
"Ähm das war mein Popo... der freut sich nur..." meinte Tani daraufhin achselzuckend.
Nahezu pünktlich legten wir ab und bald wurde es ruhiger in unserem Raum, der für etwa 100 Menschen ausgelegt, aber nur mit 20 gefüllt war. So hatten wir sogar die Möglichkeit uns auf einer vierer Sitzreihe lang zu machen, um richtig zu schlafen. Tani, der noch nicht müde war, nutzte die Zeit um unser Spanien-Video fertig zu schneiden.
Insgesamt verging die Zeit auf dem Schiff recht schnell und auch wenn Sarah´s Magen zeitweise rebellierte, ihr Mango-Kürbis-Brennnessel-Hafer-Sud ließ sich nicht noch einmal blicken.
Griechenland begrüßte uns mit Regen. Unser erster Blick galt unserer teuer und heilig gewordenen Wetter- App und... es wurde kalt die nächste Woche. Bis -8°C waren angesagt. Unglaublich enttäuscht fuhren wir die ersten Kilometer und es regnete und regnete. Die griechischen Nachrichten verstanden wir zwar nur in Bild und nicht in Ton, doch dies reichte uns aus, um die aktuelle Wetterlage zu erfassen.
Es tobten starke Schneestürme in Griechenland, meterweise Schneemassen ließ Frau Holle zur Erde schweben. Wir sahen es, doch glauben wollten wir es nicht so recht, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Es war kalt, nass und trüb und nicht nur das… durch lang anhaltendes Regenwetter und den vielen Schnee der letzten Wochen, waren die Ufer und Flussläufe stark überschwemmt.
Wir passierten unter Wasser stehende Straßen und konnten viele Stellplätze nicht anfahren, da die Zufahrten aktuell nur für Schifffahrt frei gegeben sind. Ein niederschmetternder erster Tag. Wir waren ratlos und nahmen sogar die Möglichkeit in Betracht, einfach irgendwo ins Warme zu fliegen. Bahamas, Hawaii oder die Sonne kamen uns in den Sinn, doch dann fiel uns ein, dass dies ohne Reisepass (wir hatten nur unsere Ausweise, die für Europa ausreichen) und ohne Flügel schwer werden könnte.
Zu all dem kam noch ein weiteres Problem, welches wir bisher nicht so richtig bedacht hatten. In allen vorangegangenen Ländern war es natürlich so, dass wir von den jeweiligen Landessprachen wenig verstanden (mal abgesehen von den Englischsprachigen). Einiges konnte man sich aus dem Kontext oder anhand von Ähnlichkeiten der Wortstämme herleiten. Auch lernten wir ein paar Worte der einzelnen Sprachen, um wenigstens "Hallo, Bitte, Danke, Tschüss" und "Welche Sorte gekühlten Hopfenblüten-Tees könnten sie uns aus ihrem reichen Schatz an Angeboten besonders empfehlen?" sagen zu können. Doch immer konnten wir die Schilder und Anzeigen lesen. Wir beherrschen das Griechische Alphabet beide nicht und das machte es natürlich wirklich sehr schwer die richtigen Straßenschilder zu entziffern. Einen Bäcker anhand des Schildes zu finden, ist schlichtweg unmöglich, ohne die Zeichen zu kennen. Das Griechische Alphabet ist eine neue Aufgabe, die wir uns gestellt haben und wird sicherlich anfangs eine Herausforderung darstellen, doch wir gehen das neue Abenteuer guten Mutes an. In diesem Sinne: καλή τύχη!
In Bezug auf die nahende Kälte kam uns wieder einmal der Gedanke, einfach für eine Woche eine Unterkunft zu nehmen, doch um unser Geld ein bisschen beisammen zu halten wollten wir diese Option wirklich nur im absoluten Ernstfall wahrnehmen. Und während Sarah noch überlegte, welche Möglichkeiten wir denn sonst noch hatten, fing Tani an Horrorszenarien von abgefrorenen Gliedmaßen zu erzählen. Damit war es für uns klar. Wir suchten eine ganze Weile, doch dann fanden wir eine süße kleine Ferienwohnung im Süden von Peloponnes (Tani nennt es liebevoll Polochpenner, da er sich den Namen der Halbinsel einfach nicht merken kann), die mit 112€ für 7 Nächte unglaublich günstig war.
Dort befinden wir uns gerade. Seit Schweden blieben wir keine volle Woche an einem festen Ort. Für uns schon ein sehr eigenartiges Gefühl. Allerdings nutzen wir die Zeit und das Internet um viel aufgeschobene Arbeit nachzuholen. Wir schneiden noch ausstehende Videos fertig und beenden diesen Blog den ihr gerade lest. Von unserer Wohnung aus können wir problemlos viele, von uns festgelegten Ziele, mit unserem Björni erreichen. Nachts ist es warm und wir müssen nicht in Uniform schlafen, das ist neben Klo und Dusche das Zweitschönste. Das Schönste jedoch ist, wir haben einen Backofen und ein Gefrierfach. Wir können endlich mal wieder viele Gerichte zubereiten, auf die wir lange verzichtet haben. Sarah´s Gourmet-Gaumen dachte sofort an mit Käse überbackene Feta-Hack gefüllte Paprikaschoten, die in ihrem eigenen Saft vor sich hin schmorten; an Kartoffelgratin a la Bolognese mit frischen Kirchtomaten; an Blätterteigspezialgerichte nach geheimsten Sarah-Rezept und Tani freute sich auf fertige Tiefkühlpizza und Wassereis. Typisch…
Wir sind gespannt, was uns die nächsten Tage und Wochen zu bieten haben. Nun freuen wir uns auf Griechenland. Wie jedes Mal, ist es auch hier wieder aufregend, ein neues Land zu bereisen. Es stellen sich uns wie immer die typischen Fragen, die wir mittlerweile sehr routiniert abarbeiten.
Wo gehen wir einkaufen? Gibt es größere Ketten? Wie sieht es aus mit Internetcafés, Waschsalons, dem Empfang, dem Sprit, den Stellplätzen, dem Verkehrsverhalten der Menschen hier? Und nicht zu vergessen: Wie schmeckt das Bier? Und und und...
So sind die ersten Tage für uns immer schon fast analytisch, doch daher nicht weniger aufregend und spannend.
Wir haben uns viel vorgenommen für die nächsten Wochen und freuen uns schon jetzt darauf, euch in Bild, Video und Text davon zu berichten. Oberstes Ziel: den Frühling finden! Drückt uns dabei die Daumen.
Liebe Grüße euer Team Tuckerbus
Tani, Sarah und Björn der Bus
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Gabi & Klaus (Freitag, 18 Januar 2019 14:53)
Sucht und findet den Frühling!
Und Tani, bitte nimm Sarah die Säfte weg. Bier ist auch eine richtige Mahlzeit.�
Für die anstehenden Erkundungsfahrten alles Gute, kein Schnee und stets eine knitterfreie Fahrt.
Tante Elfriede aus Moritzburg (Samstag, 19 Januar 2019 16:11)
Hallo, Ihr Beiden Unentwegten! HABE EBEN WIEDER eUREN SO INTERESSANTEN BLOCK GELESEN das klingt ja abenteuerlich und ich habe sehr mit Euch mitgefühlt. Nun aber wünsche ich Euch, dass Ihr den Frühling bald findet und weiterhin viele interessante Erlebnisse haben könnt. Bleibt vorallem gesund und habt viel Freude, Herzlichst Eure T.Elfriede
Chris (Dienstag, 29 Januar 2019 11:25)
Hallo ihr 2! Dank Facebook habe ich heute all eure Videos angesehen und schon viel gelesen! Das macht Lust auf mehr! Danke für diese tollen Beiträge! Ich lebe in Chemnitz und wir wurden diese Nacht mal wieder eingeschneit. ���
Ich hoffe, ihr findet bald den Frühling! Wenn ihr ihn gefunden habt, schickt ihn bitte schnell in die Heimat! ��
Ich wünsche euch tolle neue Eindrücke in Griechenland und hoffe, ihr bekommt das mit der Sprache hin! Lg Chris